Märchenzeit – ganz klassisch und ganz anders

Wie jedes Jahr laden die Bühnen ihr Publikum zu einer Portion vorweihnachtlichem Bühnenzauber ein. Die Palette reicht von klassischen Märchenadaptionen über moderne Interpretationen und Mitspielstücke bis zu Uraufführungen ganz neuer Stücke. Wir durften einige davon besuchen ...

... und sahen viele schöne Aufführungen, ganz zeitlos-klassisch, verspielt romantisch oder im modernen Gewand, unterhaltsame Zaubergeschichten, Abenteuer bekannter Kinderhelden, Musicals, und auch ein Märchen für die Großen.

Vor einigen Jahrzehnten schuf Robert Bürkner eine Reihe von Bühnendramatisierungen, die aufgrund ihrer hervorragenden Dramaturgie und Rollenzeichnung auch heute noch von vielen Bühnen gespielt werden. So bescherte sein Froschkönig der Halligtor-Bühne Bredstedt eine Serie komplett ausverkaufter Vorstellungen.

Und auch Georg A. Weths Rumpelstilzchen fesselt an den Vormittagen die Kita- und Schulklassen beim Besuch der Volksspielbühne Jenfeld ebenso wie am Nachmittag die Erwachsenen, die mit großen Augen die Aufführungen verfolgen und sich freuen, mit einem Alibi-Kind an ihrer Seite in eigene Kindheitserinnerungen eintauchen zu können.

Wenn es dann einerseits so romantisch, andererseits so witzig zugeht wie in Christa Margret Riekens Die Schöne und das Biest beim Eutiner Theater Mischpoke, dann findet das Medium Theater hier viele neue Fans. Mit einfachen aber wirkungsvollen Mitteln verwandelt sich das Bühnenbild hier von einer Werkstatt in einen Wald und zu einem Schloss und bietet auch dem Auge viel Abwechslung.

Humor ist gleichfalls ein wichtiger Bestandteil der Bühnenbearbeitungen von Ingo Sax, dessen Schneewittchen und die sieben Zwerge bei der Bühnengemeinschaft für Sing- und Schauspiel gemeinsam von Kindern und Erwachsenen mit viel Spaß auf die Bretter gebracht wird.

Aus der Vielzahl unterschiedlicher Bühnenbearbeitungen ein- und desselben Märchens die für die jeweilige Bühne passende Fassung zu finden, stellt oft eine echte Herausforderung dar, und mit Dirk Hiemeschs Frau Holle bewies das Theater 99 ein glückliches Händchen, um zur allgemeinen Begeisterung sogar den jüngsten Bühnenmitgliedern Raum für eine Schneeflocken-Choreografie zu geben.

So finden selbst tanzende Flammen den Weg in Belinda Leys Weihnachten im Märchenland, das geschickt gleich mehrere bekannte Märchenfiguren auf die Bühne bringt und von der Henneberg-Bühne mit liebevoller Ausstattung, Gespür für Pointen und dem echten Weihnachtsmann gezeigt wurde.

Beim Norderstedter Theater Life dürfen alle Darsteller das Tanzbein schwingen, wenn in Drei Haselnüsse für Aschenbrödel - Das Musical zum Ball geladen wird. Christian Bergs und Mirko Botts Fassung orientiert sich eng am Original und verbreitet mit der Musik von Timo Riegelsberger den Zauber, der gerade zur Weihnachtszeit einen großen Reiz des Theaters ausmacht.

Aber auch wenn – wie in Karlheinz Komms Vom Fischer und seiner Frau – eine Aufführung scheinbar zu platzen droht, weil die Zahl der Schauspieler gar nicht ausreicht, um all die Rollen darzustellen, dann wird kurzerhand das Publikum zu Mitspielern gemacht, und bei der Niederdeutschen Bühne Ahrensburg konnte es gar nicht genug Gelegenheiten zum Mitspielen geben. Immer wieder fanden sich begeisterte Kinder, die auf der Bühne aushelfen wollten.

Die erfolgreiche Autorin Christina Stenger öffnet bei der Aufführung der Niederdeutschen Bühne Preetz in Philly Phantastico die vierte Wand und macht die Zuschauer nicht nur zu Stichwortgebern, sondern zu echten Mitspielern der großartigen jungen Akteure auf der Bühne.

Dabei kommen klassische Motive zum Einsatz, die schon bei der Commedia dell'arte Verwendung fanden, und genau so ein Stück für Kinder von Aurand Harris zeigt der Theaterverein Rellingen mit leuchtenden Kostümen und wunderbar gespielten Charakteren in Das Spiel mit dem Löwen.

Kein Löwe, sondern das Urmel aus dem Eis steht im Mittelpunkt des Theaters Schwarzenbek, das Max Kruses modernen Kinderbuchklassiker in der Bearbeitung von Frank Pinkus mit der eingängigen Musik von Ines Lange und Jan-Henning Preuße bis zu drei Mal am Tag mit enormer Spielfreude auf die Bühne bringt.

Von Mehrfachvorstellungen kann man auch in der Komödie Braunschweig ein Lied singen, denn dort feierte Käpt'n Sharky kurz nach der Uraufführung am Hamburger St. Pauli Theater bereits seine zweite Premiere in diesem Jahr. Rainer Bielfeldt schuf eine Bühnenbearbeitung, die die bekannten Bücher von Jutta Langreuter und Silvio Neuendorf zum Leben erweckt und zeigt, dass neben bekannten Titeln auch neue Stücke ihr begeistertes Publikum finden.

Nach so viel Theater für Kinder – und viele Onkel, Tanten, Eltern und Großeltern, die die Aufführungen mit Begeisterung begleiten – passt dann ein echtes Märchen für Erwachsene in den Spielplan, und eben dieses gönnt die Niederdeutsche Bühne am Theater Lübeck sich und seinen Zuschauern: Pam Valentines Gute Geister rührt das Publikum dort wie schon zuvor in Hamburg und vielen anderen Städten zu Tränen und zeigt, was für ein – im wahrsten Sinne des Wortes – wundervoller Ort Theater sein kann.

– 16.12.2015