Wir trauern um Ingo Sax
Wenn er anfing, aus seinem Leben zu erzählen, musste man sich manchmal fragen: dachte er sich das gerade aus oder war das wirklich alles so passiert?
Kriegskind, Stotterer, Fernfahrer — und dann Schriftsteller! Seine Biografie verlief wahrlich nicht geradlinig; bunt, abwechslungsreich, schräg wie das wirkliche Leben, genau so waren auch die Geschichten, die er für das Radio und ganz besonders für das Theater schrieb.
Er schuf Charaktere mit viel Sympathie und immer mit Blick auf das Publikum, dem er ernste Geschichten ebenso vermitteln konnte wie heitere. Als Seiteneinsteiger begann er zu schreiben und zu inszenieren. So entstanden Schauspiele, Krimis, Komödien und Märchen, die praktisch auf jeder niederdeutschen Bühne liefen und in vielen weiteren Theatern im In- und Ausland die Menschen erreichten. Mit dem Ohnsorg Theater ging es sogar bis nach Japan.
Jetzt ist Ingo Sax, kurz vor seinem 79. Geburtstag, gestorben.
Ja, er war krank, lange schon, aber das hatte ihn nie daran gehindert, zu arbeiten, zu reisen, zu inszenieren und zu schreiben — und immer mit Spaß an der Sache. Es ist erst ein paar Tage her, da telefonierte ich mit ihm, und es ging ihm wirklich nicht besonders gut, das merkte man. Aber ließ er sich davon niederdrücken oder klagte er? Nein, das war nicht seine Art. Stattdessen: nach vorne gucken; neugierig, was hinter der nächsten Ecke auf ihn wartet.
Ich habe selten einen Menschen erlebt, der so offen durch das Leben ging wie er. Und jetzt soll er tot sein? Das kann doch nicht sein, das ist doch wieder eine seiner grandiosen Geschichten mit überraschenden Wendungen und unerwarteten Pointen. Und ich möchte ihm sagen: erzähl mehr davon! Aber er schweigt. Vielleicht braucht er einfach noch ein bisschen Zeit.
Wolfgang Neruda
– 15.11.2019